Ist Reiten auch ein geeigneter Sport für Menschen mit Epilepsie ?
Autorin: Dr. med. V. Homberg,07/ 2016

Tatsächlich kann Reiten für Epilepsiepatienten Probleme mit sich bringen und dies in zweierlei Hinsicht:

1. verlangt der selbstständige und direkte Umgang mit dem Pferd Konzentration und schnelles Reaktionsvermögen, vor allem in Situationen, in denen das Pferd unruhig ist, scheut usw.

2. ist beim Reiten das allgemeine Verletzungsrisiko erhöht durch Sturz aus größerer Höhe und bei höherer Geschwindigkeit.

Dennoch muss die Entscheidung, den Sport weiter auszuüben oder neu zu erlernen immer eine individuelle, insbesondere eine der Anfallsanamnese angepasste sein. Überprotektion und unnötige Angst vor möglichen Folgen schränken Patienten mit Epilepsie oft viel zu sehr ein, auch bei dieser Sportart.

Neben der Anfallsart ist die Häufigkeit, mit der Anfälle auftreten, in die Überlegungen zu Reiten mit einzubeziehen. Menschen mit Epilepsie, die seit mehr als 12 Monaten anfallsfrei sind und ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, können z.B. unter Beachtung bestimmter Schutzvorkehrungen (s.u.) dem Hobby selbstverständlich (wieder) nachgehen. Tägliche Anfälle hingegen können unter Umständen ein zu hohes Risiko mit sich bringen.

Da es eine Vielzahl möglicher Epilepsiesyndrome gibt und das Verletzungsrisikos vom Anfallstyp mit abhängt , werden nachfolgend einige zur Orientierung exemplarisch heraus gestellt:

• Rein schlafgebundene Anfälle und isolierte einfach-fokale Anfälle, also Anfälle ohne Bewusstseinsverlust (z.B. epigastrische Aura, rein sensible Anfälle etc), sind als unproblematisch zu werten. Bei den einfach-fokalen Anfällen ist natürlich zu fordern, dass weder Motorik noch Koordination beeinträchtig sind

• Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust (komplex-fokal) oder Absencen verlangen bereits erheblich mehr Vorsicht, eine Begleit- bzw. Aufsichtsperson ist notwendig, das Tempo sollte angepasst sein

• Bei Patienten mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (Grand mal, idiopathische oder sekundär generalisierte Epilepsien) ist Reiten als Freizeitsport nicht ruhigen Gewissens zu empfehlen. Bei ausgesprochenem Wunsch sollte bei diesen Anfallsformen im Besonderen ein anfallsfreies Intervall unter Therapie von mindestens 1 Jahr eingehalten werden.

Was ist allgemein zu beachten?

• In erster Linie ist das Tragen einer Schutzkappe, auch beim Voltigieren, dringend zu empfehlen. Ebenfalls empfehlenswert sind die heute weit verbreiteten und recht komfortablen Rückenprotektoren.

• Anfallsprovozierende Situationen wie Schlafentzug, unregelmäßige Tabletteneinnahme etc. sind vorher in besonderem Maße zu vermeiden, gegebenenfalls muss auf das Reiten an diesem Tag verzichtet werden.

• Bei tageszeitlicher Bindung der Anfälle sollte zu den entsprechend riskanten Tageszeiten nicht geritten werden.

• Auf Springreiten, Military oder Jagdreiten sollte prinzipiell verzichtet werden; bei Geländeritten ist eine Begleitung erforderlich.

Unproblematischer gestaltet sich für den Epilepsiepatienten das „Therapeutische Reiten“ (Hippotherapie oder Heilpädagogisches Reiten/Voltigieren), da hierbei entsprechende fachliche Betreuung erfolgt, eine Begleitperson direkt mit am Pferd ist und der Umgang mit dem Pferd nicht sportlicher Natur, sondern therapeutisch ausgerichtet ist. Gerade bei Menschen mit zusätzlicher Behinderung, insbesondere mit neurologischen Bewegungsstörungen (angeboren oder erworben) oder nach Schädel-Hirn-Traumata hat sich das Reiten als physiotherapeutische Behandlung bewährt. Eine Epilepsie stellt hierfür keine Kontraindikation dar.

Informationen

Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V., Freiherr-von-Langen-Str. 13, 48231 Warendorf, Tel: (02581) 63620/-194;

Beirat: Prof. Dr. A. Schulze-Bonhage, Neurozentrum Freiburg Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Epileptologie